Montag, 22. Juni 2015

Die 108 Sun Salutations-Challenge

Diesen Monat habe ich mich auf EkhartYoga bei der 108 Sun Salutations-Challenge beteiligt. Ja, 108 Sonnengrüße am Stück - und zwar modifizierte Salutations A (ohne Chaturanga Dandasana). Seit drei Wochen habe ich mich auf den Tag vorbereitet  - nämlich den gestrigen Tag des Yoga, zu dessen Ehren die 108 Sonnengrüße absolviert werden sollten.

Ich bin total stolz auf mich, denn ich habe das erste Mal eine Challenge auf meiner Yoga-Plattform durchgehalten. Das zeigt mir, dass ich wirklich immer fitter und kräftiger werde - und ich konnte auch richtig an mir sehen und merken, dass ich definitiv noch muskulöser geworden bin.

Dabei stellte sich mir noch ein Hindernis in den Weg, das mich fast von der Challenge abgehalten hätte: Die gesamte erste Woche konnte ich mich gar nicht richtig auf meine Handgelenke stützen, weil ich seit einiger Zeit ein Ganglion im linken Handgelenk habe, das sehr schmerzhaft ist, wenn ich die Hand um 90 Grad abknicke und Gewicht darauf gebe. Deshalb habe ich einige Haltungen (z.B. den herabschauenden Hund und die Planke) modifiziert und mich auf meine Fäuste oder Unterarme gestützt, sodass ich dem Programm in den ersten Tagen trotzdem schon folgen konnte. Zudem wurde das Ganglion durch regelmäßiges Massieren kleiner und damit weniger schmerzhaft, sodass ich mich ab der 2. Woche schon wieder richtig ab- und aufstützen konnte.

Das zeigt mir auch, dass ich mich momentan nicht so leicht unterkriegen lasse. Wo ich früher vielleicht wegen eines Wehwehchens und weil ich nicht "perfekt" genug bin, einfach aufgegeben hätte, habe ich weitergemacht und durchgehalten. Trotzdem bin ich verantwortungsvoll mit der Verletzung umgegangen, habe mir Alternativen überlegt und hätte die Challenge nicht gemacht bzw. abgebrochen, wenn das Verletzungsrisiko zu hoch gewesen wäre. Umso mehr freut es mich, dass ich gelernt habe, mit einer solchen Verletzung bzw. "Störung" umzugehen: Nicht sofort die Flinte ins Korn werfen, sondern kucken, ob es auch irgendwie anders geht.

Ich finde es toll, dass die Challenge diesmal so gut gepasst hat und bin wirklich saumässig stolz auf mich. Jetzt bin ich definitiv fit für Vinyasa und bin gespannt, welche neuen Erfahrungen da auf mich zukommen werden.

Dienstag, 16. Juni 2015

Label

Es geht wieder aufwärts mit Arbeit und Aufträgen (s. letztes Blogpost) - und obwohl mir momentan so viele Dinge in Bezug zu Magie/Spiritualität etc. durch den Kopf gehen und ich fleißig Notizen mache, hatte ich jetzt lange keine Lust, hier etwas zu schreiben. Aber ich möchte mir dafür wieder mehr Zeit nehmen, weil ich merke, dass mir das Gedanken sortieren wirklich sehr gut tut. Und es ist nochmal was anderes, als nur ein Tagebuch zu führen.

Gerade auch deshalb, weil ich es auch für meine psychische Gesundheit brauche, mit Dingen offener umzugehen, die ich jahrelang (z.T. sogar jahrzehntelang) in mir verkapselt habe. Seit über einem Jahr versuche ich mich an meinem Trans*-Coming Out. Das ist für mich ein unglaublich langer Prozess, aber ich merke, dass ich das wirklich brauche. Ich lese unglaublich viel darüber, aber mir fehlen meist immer noch die Worte. Das zuzugeben, das zu verarbeiten - und mir ein Label auszusuchen/anzupassen, mit dem ich mich dann wirklich wohlfühle.

Manchmal stößt eins auf Unverständnis, wozu es denn diese Label braucht: "Wir sind doch alle Menschen mit Macken...Aber ich mache als Frau doch auch Sachen, die männlich konnotiert sind...blabla". Ich denke mal, dass sich viele nicht-queere Menschen überhaupt nicht vorstellen können, wie das ist, mit dem angeborenen Geschlecht, dem Begehren, der Performance nicht im totalen Einklang zu stehen (Dysphorie). Und wie schwierig das ist, in einem heteronormativen und binären System aufzuwachsen, in das du nie passt, egal wie du dich drehst und wendest. Und das ständig, bei allem, was eins den ganzen Tag tut, im Hinterkopf zu haben. Immer hadern. Nie zu wissen, wer eins wirklich ist, welches Geschlecht eins hat - während für andere das ganz klar zu sein scheint. Weil sie es vll noch nie in Frage stellen mussten. Weil sie sich immer richtig gegendert fühlen. Aber sich wohl auch wehren würden, wenn eins sie mit dem falschen Pronomen anspricht.

Allerdings ist es für queere Menschen (LGBTTIQ*) wichtig, sichtbar zu sein - und das gelingt nur, indem wir* uns* aktiv sichtbar machen. Neulich hat eine getwittert, dass es Mut braucht, sich zu labeln. Dem stimme ich total zu. Ja, es ist wichtig und mutig, sich hinzustellen und zu sagen: So bin ich! Das bin ich! Das gehört zu mir und meiner Identität. So identifiziere ich mich! Und sich damit sichtbar zu machen. Und sichtbar bedeutet auch: angreifbar. Warum tust du das? Warum willst du das? Warum willst du anders sein? Glaubst du, du bist etwas besonderes?

Ja, ich bin anders - genau das bedeutet es, eine Minderheit zu sein. Und das spürst du täglich. Ich leide unter anderem deswegen unter Depressionen und Angststörungen. Ich versuche deshalb mich und mein Anders-Sein zu verstecken. Um nur nicht zu stören. Um nur keinen Unmut auf mich zu ziehen. (Das war lange Zeit meine Überlebensstrategie - denn ich habe oft genug erfahren, wie Menschen behandelt werden, die nicht dazu passen wollen/können.) Aber dadurch entferne ich mich nur immer weiter von mir. Irgendwann hatte ich das Gefühl, nur noch eine Maske zu sein. Als wäre ich selbst nur noch die Fassade, die ich anderen vorspiele.

Deshalb ist es für mich unglaublich wichtig, wieder zu meiner eigentlichen Identität zurückzufinden und mir auch selbst ein Label suchen zu dürfen - und nicht nur immer von außen eines aufgedrückt zu bekommen ("Aber du bist doch eigentlich...blabla"). Ich möchte nicht mehr vor mir fliehen, nicht mehr verdrängen - und trotzdem weiß ich noch nicht genau, wie ich ausdrücken kann, was ich eigentlich bin.

Deshalb bin ich jetzt auch wieder verstärkt auf der Suche nach einer queeren Spiritualität. Bislang hat es mir während meiner Krisenzeiten immer geholfen, mir Vorbilder und Praxen in einer Art Gegenkultur zu suchen, die mir helfen, neue Denkmuster zu etablieren und alte zu überschreiben - vor allem, weil mir in meiner Realität und im Mainstream solche Vorbilder fehlen.

Aber ich bin gespannt auf meinen Weg und freue mich darauf, was ich wohl entdecken könnte.